Ein weiser alter Meister aus Indien hatte genug davon, dass sein Lehrling sich ständig über alles beklagte. Eines Tages schickte er ihn, Salz zu holen. Der jammernde Lehrling kam mit dem Salz zurück, und der Meister bat ihn, eine Handvoll davon in ein Glas Wasser zu geben und es zu trinken.
Der Lehrling tat, was ihm gesagt wurde, doch kaum hatte er einen Schluck genommen, spuckte er sofort aus.
„Wie schmeckt es?“ fragte der alte Meister.
„Bitter“, erwiderte der Lehrling verärgert.
Der Meister lächelte leise, nahm den Lehrling bei der Hand und führte ihn zum nahegelegenen See. Dort sagte er: „Jetzt wirf eine Handvoll Salz in den See und trink daraus.“
Der Lehrling tat, was ihm aufgetragen wurde. Nachdem er getrunken hatte, wischte er sich das Wasser von den Lippen und der Meister fragte erneut:
„Wie schmeckt es?“
„Erfrischend“, antwortete der junge Mann.
„Hast du das Salz geschmeckt?“ fragte der Meister.
„Nein“, antwortete der Lehrling.
Daraufhin setzte sich der alte Meister neben ihn und sprach:
„Das Leid im Leben ist wie das Salz – weder mehr noch weniger. Die Menge an Leid bleibt immer gleich. Doch wie bitter wir es empfinden, hängt davon ab, worin wir es auflösen. So hör auf, ein Glas zu sein. Versuche, ein See zu werden.“
Juli 2025 / anonyme Erzählung aus Indien
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